Jede neue Wahl bedingt den Blick zurück auf vergangene Resultate. Bei Nationalratswahlen macht man das sinnvollerweise mit den Gesamtergebnissen. Aber auch aus Detaildaten, z.B. den Gemeindeergebnissen, lassen sich einige Trends ablesen. Anders gefragt: Wie sind die Nationalratswahlen bisher auf Gemeindeebene ausgegangen?
Die Basis für die Antwort sind die +/- 2.350 Gemeinden, in die Österreich zwischen 1983 und 2013 gegliedert war (hauptsächlich aufgrund der Gemeindestrukturreform in der Steiermark 2015 gibt es für die kommende Nationalratswahl 2017 nur noch 2.100 Gemeinden).
Sucht man die jeweils stärkste Partei pro Gemeinde, dann findet man große Stabilität: In gut 60 Prozent aller Gemeinden hat der erste Platz bei den vergangenen zehn Nationalratswahlen nie gewechselt. "Sieger" waren jeweils entweder ÖVP oder SPÖ, andere Parteien konnten sich auch in späteren Jahren keine kontinuierliche Dominanz aufbauen.
Der Wechsel an der Spitze von einer Wahl zur nächsten war ebenso überschaubar, allerdings mit einigen Ausschlägen: Änderte sich die stärkste Partei zwischen 1983 und 1986 in nur 80 Gemeinden, so findet sich ein solcher Umschwung zwischen 1995 und 1999 in über 300 und zwischen 1999 und 2002 in 563 Gemeinden. Zwischen 2008 und 2013 wechselten 431 Gemeinden die Farbe.
Neben der Stabilität gibt es ebenfalls Beispiele für muntere Beweglichkeit, wie etwa Innsbruck: Hier hatte die ÖVP in den 1980ern die Mehrheit, bevor die SPÖ sie ablöste, die ihrerseits 1999 von der FPÖ verdrängt wurde. Dann ging es für zwei Wahlen zurück zur ÖVP, bis nach einem - sehr knappen - Zwischenspiel der SPÖ 2008 die Grünen 2013 schließlich in Front lagen.
Innsbruck, 1983-2013 (ohne Wahlkarten)
Die meisten Gemeinden - zwischen mindestens 55 und deutlich über 70 Prozent - gewann bei den Nationalratswahlen die ÖVP, was vor allem durch ihre Stärke am Land und in Klein(st)gemeinden bedingt ist (und damit natürlich nicht gleichbedeutend mit einem Wahlsieg ist). Die SPÖ war im städtischen Bereich und in größeren Gemeinden erfolgreicher. 1995 kam sie der ÖVP zahlenmäßig vergleichsweise nahe, der Abstand betrug "nur" mehr knapp 400 Gemeinden. In dieser Zählung teilen sich beide Parteien Österreich, nur die FPÖ - und 2006/2008 das BZÖ - konnten eine zweistellige Gemeindezahl für sich verbuchen. Die Grünen schafften erst 2013 den ersten Platz in zwei (Tiroler) Orten, in dem Jahr gelang dem Team Stronach und den NEOS ebenso der "Gewinn" einzelner Gemeinden.
Der erste Platz in einer Gemeinde sagt freilich nur bedingt etwas über den Wahlerfolg oder -misserfolg insgesamt aus, da die Stimmen zusammengefasst und proportional aufgeteilt werden (in der Mandatsvergabe). Der Vorsprung von einer Stimme, der theoretisch für den "Sieg" in der Gemeinde reicht, hätte praktisch kaum Auswirkungen. Eine bessere Annäherung an die groben Trends der Wahlen ist der Stimmenanteil pro Gemeinde. Ein Beispiel: Die FPÖ erreichte 1999 ihr bislang bestes Nationalrats-Ergebnis, 2002 folgte der große Einbruch. Positioniert man die Gemeinden je nach Resultat auf einer Skala von 0 bis 100, dann sieht das für beide Wahlen grob so aus (Anmerkung: Die Darstellung ist tatsächlich nur sehr grob, da zugunsten eines Überblicks die Kreise nicht exakt platziert werden können).
FPÖ-Gemeindeergebnisse 1999 (oben) und 2002
Hier noch die unvermeidliche Hitliste, konkret die Gemeinden, in denen die Parteien prozentuell am stärksten waren (zwischen 1983 und 2013): Tschanigraben mit 90,57 Prozent für die SPÖ (1990), Kaisers mit 100 Prozent für die ÖVP (2002), St. Georgen am Fillmannsbach mit 56,64 Prozent für die FPÖ (1999) und Sistrans mit 24,84 Prozent für die Grünen (2013).
Die Gemeinden mit dem höchsten Stimmenanteil pro Partei 1983-2013
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
Abschließend ein paar Anmerkungen:
Warum nur SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne? Nur diese vier Parteien waren seit 1986 durchgehend im Nationalrat vertreten.
Warum 1983 als Ausgangspunkt? 1986 übernahm Jörg Haider die FPÖ und die Grünen zogen erstmals in den Nationalrat ein, innenpolitisch wird das Jahr als Zäsur gesehen. 1983 ist daher ein logischer Start. Abseits der inhaltlichen Begründung: Ältere Daten auf Gemeindeebene, die verarbeitbar sind, gibt es zumindest öffentlich zugänglich nicht.
Apropos Daten: Speziell die Ergebnisse in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre sind selbst aufbereitet - und obwohl das mit großer Sorgfalt geschehen ist, sind Fehler nicht ausgeschlossen.
Und die Wahlkarten? Wie immer, wenn es um Gemeindeergebnisse geht, sind diese ohne Wahlkarten. Das gilt auch und vor allem für Städte wie Wien und Graz. Die Gemeinde Graz gewann 2013 die FPÖ, den Bezirk Graz Stadt (inkl. Wahlkarten) aber die Grünen. Der Vergleich aller Gemeinden macht (aus meiner Sicht) aber nur ohne Wahlkarten Sinn.
Sind alle Gemeinden vergleichbar? Zwischen 1983 und 2013 sind einige Gemeinden fusioniert und geteilt worden, für diese liegen entsprechend nur kürzere Zeitreihen vor. Der weit überwiegende Teil ist jedoch konstant geblieben. Für die oben genannte Berechnung der stabilen Mehrheiten wurden nur Gemeinden herangezogen, die durchgehend in derselben Form existierten.
Wofür steht die Größe der Kreise? Sie richtet sich nach der Zahl der Wahlberechtigten 2013 (bzw. im letzten Jahr des Bestehens der Gemeinde). Die Skalierung ist nicht linear, da Wien sonst alles überragt, die Gemeinden sind daher in grobe Kategorien eingeteilt.
Quellen: Originalquelle der Daten ist das BMI, die aufbereiteten Ergebnisse sind der wahldatenbank.at entnommen.