Das ist Wien mit seinen 23 Bezirken. Am 11. Oktober wird dort ein neuer Gemeinderat (=Landtag) gewählt. Ein paar Anmerkungen zur Art und Weise, wie das ablaufen wird.
Für die Wahl werden Wahlkreise gebildet. Der 1., 4., 5. und 6. Bezirk bilden zusammen den Wahlkreis „Zentrum”, der 7., 8. und 9. den Wahlkreis „Innen-West”. Alle weiteren Wahlkreise entsprechen den Bezirken.
Die kleinste Ergebnis-Einheit sind die Wahlsprengel. Viele Sprengel sind flächenmäßig winzig, einzelne vergleichsweise enorm.
Zwischen den Wahlen gibt es immer wieder (kleinere) Änderungen an dieser Einteilung, in der Karte sind die neuen Grenzen (sowie strichliert wegfallende) eingezeichnet. Der Großteil ist unverändert.
Auch wenn die Fläche stark schwankt, die Sprengel sind meist ähnlich groß, nämlich durchschnittlich 800 Wahlberechtigte 2015.
Mit der Sprengelkarte lassen sich viele Ergebnisse darstellen, hier etwa die jeweils stärkste Partei 2015 - mit teils beachtlichen Prozentergebnissen.
Oder relative Stärken, z.B. wo waren die Grünen stärker als die FPÖ und umgekehrt?
Das hat einen großen - und 2020 wachsenden - Haken: Wahlkarten bzw. die Briefwahl sind in der Darstellung nicht berücksichtigt (ebenso wie einige organisatorische Sprengel). 2015 waren das gut 18 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Für 2020 wird mit deutlich mehr Briefwahl gerechnet, damit sind die Sprengelkarten kaum mehr aussagekräftig. Es geht letzten Endes auch um etwas anderes:
Nämlich um die Mandate im Gemeinderat. 100 Sitze sind zu vergeben
2015 erreichte die SPÖ 44, die FPÖ 34, Grüne zehn, ÖVP sieben und NEOS fünf. Alle weiteren Parteien schafften den Einzug in den Gemeinderat nicht.
Daraus bildete sich eine rot-grüne Zusammenarbeit, gestützt auf 54 der 100 Sitze. Aufgrund der Stadtverfassung hatten auch FPÖ und ÖVP Stadträte, allerdings ohne Ressort („nicht amtsführend”).
Vergleicht man Mandate und Stimmenanteil, wird klar: Große Parteien haben verhältnismäßig mehr Mandate erhalten.
Um das zu erklären, muss man sich die Mandatsberechnung ansehen. Die 100 Mandate sind nach Anzahl der StaatsbürgerInnen auf alle Wahlkreise aufgeteilt.
Ausschlaggebend ist die jeweils letzte Volkszählung, die Aufteilung ändert sich also. Auf den 22. Bezirk (Donaustadt) entfielen 2015 elf Mandate, 2001 waren es nur acht, 2020 wären es fiktiv derzeit zwölf. Fiktiv deshalb, da die nächste Volkszählung erst kommt.

Die Zahl der Wahlberechtigten* ist seit 2002 teils gesunken (etwa Zentrum -6%, Brigittenau -9%), teils stark gestiegen (Donaustadt +27%).
(*Österreichische Staatsbürgerschaft und 18 bzw. 16 Jahre zu Jahresbeginn)
Was sich auch zeigt: Die Größe der Wohnbevölkerung und der wahlberechtigten Bevölkerung geht immer weiter auseinander, womit die Frage, wer von der Politik betroffen ist und wer sie mitbestimmt, drängender wird.
(Eine schöne Darstellung zu dem Thema gibt es hier)
Zurück zu den Mandaten am Beispiel Wahlkreis Zentrum: Dort gewann die SPÖ 2015 mit ca. doppelt so viel Stimmen wie die zweitplatzierte FPÖ.
Um die - maximal sieben - Mandate zu verteilen, benötigt man eine Wahlzahl. Diese berechnet(e) sich pro Wahlkreis über die gültigen Stimmen dividiert durch die Mandate im Wahlkreis plus eins.
Die SPÖ erreichte diese Zahl mehr als dreimal, bekam also drei Grundmandate. FPÖ und Grüne schafften je eines. Nicht verbrauchte Reststimmen und Mandate werden bei diesem Vorgehen für eine zweite Runde gesammelt.
Dieses „plus eins” ist ein entscheidender Punkt - er macht die Wahlzahl kleiner, größere Parteien schaffen so eher Grundmandate.
Für 2020 wurde das „plus eins” auf „plus 0,5” geändert - was die Kosten für ein Grundmandat 2015 in unserem Beispiel auf 8.211 Stimmen erhöht hätte.
Die SPÖ hätte dann nicht drei, sondern nur zwei Grundmandate erhalten, es wären entsprechend mehr Reststimmen und Restmandate übriggeblieben.
Die Grundmandate 2015 in ganz Wien: 70 Mandate wurden so vergeben.
Legt man die neue Berechnung - plus 0,5 - an, wären beim Ergebnis 2015 acht Mandate weniger direkt vergeben worden.
2015 waren 30 Restmandate übrig.
Die Restmandate werden in einer zweiten Runde - dem zweiten Ermittlungsverfahren - verteilt. Daran dürfen alle Parteien mit zumindest einem Grundmandat oder einem Stimmenanteil von mindestens fünf Prozent in ganz Wien teilnehmen.
Für die Berechnung benötigt man nun die Reststimmen, also die noch nicht verbrauchten Stimmen aus den Wahlkreisen. Davon gibt es unterschiedlich viele, je knapper eine Partei an einem Grundmandat scheitert, desto mehr Stimmen bleiben übrig.
Die Reststimmen werden gesammelt und der Größe nach geordnet nebeneinander geschrieben.
Darunter schreibt man die Reststimmen pro Partei dividiert durch zwei …
… dann durch drei …
… und so weiter und so weiter.
Dann ist entscheidend, wie viele Mandate noch „übrig” sind - in unserem Fall eben 30. Man sucht entsprechend die 30.größte Zahl.
Das ist die Wahlzahl im zweiten Ermittlungsverfahren und die Parteien bekommen so viele der Restmandate, wie diese Zahl in ihren Reststimmen enthalten ist.
So komplettiert sich der Mandatsstand.
Nochmals zusammengefasst das Ergebnis von 2015. SPÖ und FPÖ hatten verhältnismäßg etwas mehr Mandate als Stimmen, Grüne, ÖVP und NEOS etwas weniger.
Legt man die Änderung (plus 0,5) von 2020 an, hätte das dazu geführt, dass SPÖ und FPÖ - bei gleicher Stimmenzahl - je zwei Sitze weniger bekommen hätten. Der Vollständigkeit halber auch noch das Szenario „plus 0”.
Ein solches mehrheitsförderndes Wahlrecht ist per se nicht schlecht, es geht immer um die Frage, was man erreichen will - eher klare Mehrheiten oder eher eine exakte Abbildung des Wahlergebnisses. Das Beispiel Wien zeigt aber recht gut, welche Folgen vermeintlich kleine Details im Wahlrecht haben können.

Quellen:
Stadt Wien
Gemeindewahlordnung
Wahlsprengel Wien
Statistik Austria
wahldatenbank.at